Emotion schlägt Verstand: Wie unsichtbare Muster Führung sabotieren

Führung gilt als rationale Disziplin – doch emotionale Muster entscheiden, wie klar wir wirklich handeln. Wer sie nicht kennt, führt im Blindflug. Als Emotionscoach sehe ich das täglich bestätigt.

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Wer Emotionen nicht versteht, verliert Führungskraft.

Sie sitzen in einem wichtigen Kundentermin. Alles ist vorbereitet. Ihre Argumente sind fundiert, Ihr Ziel klar. Doch dann schaut Ihr Gegenüber Sie scharf an – und plötzlich ist alles anders. Obwohl Sie es besser wissen, stocken Ihre Gedanken, Ihre Stimme wird unsicher. Ihre Botschaft kommt nicht an. Sie verlieren an Präsenz – und vielleicht auch an Überzeugungskraft. Ihre Emotionen waren schneller als Ihr Verstand.

Emotionen greifen früher, tiefer – und oft unbemerkt. Studien zeigen, dass selbst im Kontext scheinbar irrelevante Emotionen – wie Ekel durch einen unangenehmen Geruch – unsere moralischen Bewertungen oder finanziellen Entscheidungen beeinflussen. So etwa in einer Studie von Lerner et al. (2004), in der Teilnehmer niedrigere Preise für Produkte verlangten, wenn sie sich aufgrund eines schlechten Geruchs ekelten – obwohl der Geruch mit dem Produkt selbst nichts zu tun hatte.

Emotionen sind evolutionär älter als der Verstand

Der menschliche Verstand – also die Fähigkeit zu reflektiertem, logisch kontrolliertem Denken – ist eine vergleichsweise junge Entwicklung im Gehirn. Seine Heimat ist der präfrontale Cortex, der sich bei Homo sapiens erst vor rund 200.000 Jahren in seiner heutigen Form ausbildete. Dagegen ist das limbische System, in dem Emotionen verarbeitet werden, evolutionär deutlich älter. Seine Wurzeln reichen in die frühe Säugetierentwicklung zurück.

Diese zeitliche Dimension erklärt, warum Emotionen schneller reagieren als der Verstand. Sie sind tief in unseren biologischen Überlebensstrategien verankert: Das Gehirn priorisiert blitzschnelle emotionale Reaktionen, um Gefahren abzuwenden, lange bevor ein bewusster Gedanke einsetzt.

Schneller als gedacht: So tickt unser emotionales System

Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman unterscheidet in seinem Werk Schnelles Denken, langsames Denken zwei Systeme des Denkens:

– System 1 arbeitet automatisch, schnell und emotional.
– System 2 ist langsam, reflektiert und logisch – aber auch anstrengend und energieintensiv.

Emotionen gehören funktional zu System 1: Sie treten unmittelbar auf, oft bevor System 2 aktiviert werden kann. Deshalb reagieren wir emotional, noch bevor wir rational verstanden haben, was genau passiert.

Emotionale Muster: Wenn alte Reaktionen in neue Situationen eingreifen

Ein kritischer Blick im Gespräch, ein spitzer Ton im Team-Meeting – all das kann emotionale Reaktionsmuster aktivieren, die tief verankert und häufig bereits in der Kindheit angelegt sind. Hier spielen oft unbewusste emotionale Bedürfnisse eine Rolle – etwa nach Sicherheit, Anerkennung oder Autonomie. Wenn diese Bedürfnisse dauerhaft übergangen werden, können sich dysfunktionale Muster entwickeln, die unser Verhalten auch dann steuern, wenn wir es eigentlich besser wissen.

Wie der Psychologe Dirk W. Eilert beschreibt, dienen Emotionen in solchen Fällen als Hinweisschilder auf unerfüllte Bedürfnisse. Werden diese Hinweise ignoriert, übernimmt zunehmend der emotionale Autopilot – meist in Momenten, in denen wir eigentlich souverän auftreten möchten.

Emotionale Klarheit statt Kontrolle

Emotionale Klarheit bedeutet jedoch nicht emotionale Kontrolle im Sinne von Unterdrückung. Vielmehr geht es darum, Emotionen differenziert wahrzunehmen, zu benennen und bei Bedarf bewusst zu regulieren. Hier helfen bewährte Techniken wie Atemregulation, Embodiment-Ansätze und Reframing, also das bewusste Umdeuten von Situationen.

Ein emTrace®-basiertes Emotionscoaching kombiniert genau diese und weitere effektive Elemente: Es unterstützt Führungskräfte darin, emotionale Muster zu erkennen, zu lösen und nachhaltig zu verarbeiten – fundiert, wissenschaftlich und praxisnah.

Fazit: Wer Emotionen nicht versteht, verliert Führungskraft

Klarheit über emotionale Prozesse ist kein Nice to have – sie ist eine Führungsqualifikation. Wer eigene Reaktionsmuster erkennt und reguliert, kommuniziert überzeugender, trifft klarere Entscheidungen und bleibt auch in kritischen Situationen handlungsfähig. Denn am Ende gilt: Emotion schlägt Verstand – doch Klarheit führt.

Weiterführende Literatur und Studien

– Damasio, A. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Penguin.
– Ekman, P. (2003). Emotions Revealed: Recognizing Faces and Feelings to Improve Communication and Emotional Life. Henry Holt.
– Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. Farrar, Straus and Giroux.
– LeDoux, J. (1996). The Emotional Brain: The Mysterious Underpinnings of Emotional Life. Simon & Schuster.
– Lerner, J. S., Small, D. A., & Loewenstein, G. (2004). Heart Strings and Purse Strings: Carryover Effects of Emotions on Economic Transactions. Psychological Science, 15(5), 337–341.
– Porges, S. W. (2011). The Polyvagal Theory: Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, Self-Regulation. W. W. Norton.
– Eilert, D. W. (2021). Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt. Junfermann Verlag.
– Böhlke, K. (2023). Vom Mindset zum Bodyset: Mit Körper-Biologik Emotionen selbstwirksam aktivieren und führen. BusinessVillage Verlag.

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