Warum sind Emotionen oft stärker als unser Verstand?
Warum ärgern wir uns über Kleinigkeiten, obwohl wir „vernünftig“ genug sein müssten, um gelassen zu bleiben? Warum lösen manche Menschen sofort Stress in uns aus – noch bevor wir rational darüber nachdenken können?
Der Grund liegt in der Funktionsweise unseres Gehirns: Emotionen sind schneller als der Verstand. Sie steuern unser Verhalten, lange bevor wir eine Situation bewusst erfassen. Doch oft werden die Begriffe „Emotionen“ und „Gefühle“ gleichgesetzt – dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied.
Führungskräfte und Teams profitieren enorm davon, zu verstehen, wie Emotionen, Gefühle und Verstand zusammenspielen. Denn nur wer Emotionen richtig einordnet, kann bewusster agieren und gezielter steuern.
Was sind Emotionen, Gefühle und der Verstand?
Emotionen: Die schnelle Reaktion des Körpers Emotionen sind blitzschnelle, unbewusste Reaktionen auf äußere oder innere Reize. Sie sind universell, objektiv messbar und tief in unserer Biologie verwurzelt. Sie sind:
Biologisch: Emotionen aktivieren unser autonomes Nervensystem, setzen Hormone wie Adrenalin und Cortisol frei und beeinflussen Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Muskelspannung. Sie sitzen im limbischen System – einer der ältesten Gehirnregionen.
Psychologisch: Emotionen beeinflussen unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Verhalten – oft unbewusst. Sie können Entscheidungen unbewusst lenken und Verhaltensmuster prägen.
Sozial: Emotionen ermöglichen nonverbale Kommunikation über Mimik, Gestik und Tonfall.
Wichtig: Emotionen sind universell und artübergreifend. Ein ängstlicher Mensch und eine ängstliche Katze zeigen eine sehr ähnliche Körpersprache: Die Augen sind geweitet, um Bedrohungen besser wahrzunehmen. Der Körper zieht sich leicht nach hinten, als würde er sich auf einen möglichen Rückzug vorbereiten. Die Haltung ist angespannt, um im Notfall schnell reagieren zu können.
➡ Emotionale Reaktionen sind tief in unserer Evolution verwurzelt – sie existierten lange, bevor Sprache oder rationale Entscheidungsprozesse sich entwickelten.
Gefühle: Die bewusste Wahrnehmung von Emotionen
Emotion: Wenn uns jemand plötzlich erschreckt, reagiert unser Körper sofort mit einer unbewussten Schreckreaktion. Diese ist universell und für alle Menschen gleich.
Gefühl: Ob wir danach lachen, wütend werden oder Angst empfinden, hängt davon ab, welche Erfahrungen wir mit solchen Situationen gemacht haben. Unser Gehirn greift auf gespeicherte Muster zurück und bewertet die Situation entsprechend. Gefühle sind damit viel komplexer als Emotionen – und können sogar ganz ohne äußeren Reiz entstehen, etwa durch Gedanken („Was wäre, wenn…“).
Der Verstand: Der bewusste Lenker
Der Verstand sitzt im präfrontalen Cortex und hilft uns, Emotionen zu reflektieren und bewusst zu steuern. Während Emotionen spontan auftreten, ermöglicht uns der Verstand, sie einzuordnen und langfristige Entscheidungen zu treffen. Doch oft hinkt der Verstand hinterher.
Die Rolle des Gehirns: Warum Emotionen schneller sind als der Verstand
Unser Gehirn verarbeitet Emotionen schneller als rationale Gedanken, weil sie im limbischen System entstehen, während der präfrontale Cortex langsamer arbeitet. Beispiel: Wenn uns jemand im Meeting scharf kritisiert, verspüren wir sofort Wut oder Angst. Erst danach bewertet der Verstand, ob die Reaktion angemessen ist oder ob es sich nur um eine harmlose Bemerkung handelte. Studien zeigen: Bis zu 90 % unserer Entscheidungen sind bereits emotional geprägt, bevor wir sie rational begründen.
Warum wir zuerst emotional reagieren und erst später rational denken
Evolutionäre Mechanismen hinter spontanen Emotionen In der Frühgeschichte war es Überlebens wichtig, Bedrohungen sofort zu erkennen – noch bevor langes Nachdenken möglich war. Beispiel: Ein plötzlicher Knall lässt uns zusammenzucken. Das warnt uns vor potenzieller Gefahr – lange bevor der Verstand den Lärm als harmlos einordnet.
Emotionen als universelle Verständigung vor der Sprache Emotionen dienten der Kommunikation lange bevor Sprache existierte. Mimik und Körpersprache sind daher über alle Kulturen hinweg verständlich. Deshalb sind Emotionen wie Angst oder Freude universell lesbar – unabhängig von Kultur oder Sprache.
Der Unterschied zwischen ansteckenden Emotionen und nicht-ansteckenden Gefühlen
Ansteckende Emotionen: Panik breitet sich in einer Menschenmenge rasend schnell aus – ein einzelner Schrei kann Massen in Bewegung setzen.
Nicht-ansteckende Gefühle: Verliebtsein ist ein subjektives Gefühl, das nicht automatisch auf andere überspringt.
Das erklärt, warum wir von Emotionen „mitgerissen“ werden, während Gefühle eher ein individuelles Erleben sind.
Wie emotionale Muster entstehen und uns blockieren können
➡ Wenn Emotionen ignoriert werden, können sich daraus unbewusste Blockaden entwickeln. Diese Muster beeinflussen unser Verhalten und unsere Entscheidungen – oft ohne, dass wir es merken.
Wie man Emotionen besser wahrnimmt und steuert
Emotionen bewusst benennen.
Körperwahrnehmung schärfen.
Stressmuster erkennen.
Gezielte Regulationstechniken anwenden.
Emotionscoaching nutzen.
Psychotherapie in Betracht ziehen: Wenn Emotionen so stark sind, dass sie den Alltag massiv beeinträchtigen oder auf eine tiefergehende psychische Belastung hindeuten, kann eine Psychotherapie notwendig sein.
Fazit: Warum diese Unterscheidung essenziell ist
Wer Emotionen versteht und regulieren kann, trifft bessere Entscheidungen, kommuniziert klarer und stärkt sein Team.
➡ Im nächsten Artikel erfährst du, wie du Emotionen gezielt für bessere Führung nutzen kannst. Lies hier weiter: [Emotionale Intelligenz im Business] Emotionen, Gefühle und Verstand: Was ist der Unterschied und warum ist das wichtig?
Weiterführende Literatur und Quellen Für diejenigen, die sich tiefer mit dem Thema befassen möchten, hier einige wissenschaftlich fundierte Quellen:
Damasio, A. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Penguin. → Antonio Damasio beschreibt, wie Emotionen und Verstand zusammenwirken und warum Emotionen für rationale Entscheidungen unerlässlich sind.
Ekman, P. (2003). Emotions Revealed: Recognizing Faces and Feelings to Improve Communication and Emotional Life. Henry Holt. → Paul Ekman erforscht universelle Emotionen und deren Ausdruck in Mimik und Körpersprache.
Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. Farrar, Straus and Giroux. → Nobelpreisträger Daniel Kahneman erklärt, wie unser Gehirn oft emotional entscheidet, bevor der Verstand eingreift.
LeDoux, J. (1996). The Emotional Brain: The Mysterious Underpinnings of Emotional Life. Simon & Schuster. → Joseph LeDoux zeigt, wie Emotionen im Gehirn entstehen und warum sie oft schneller sind als rationales Denken.
Matsumoto, D., & Hwang, H. C. (2012). Culture and Emotion: The Integration of Biological and Cultural Contributions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 91-118. → Eine tiefgehende Analyse der biologischen und kulturellen Einflüsse auf Emotionen.
Porges, S. W. (2011). The Polyvagal Theory: Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, Self-Regulation. W. W. Norton & Company.
→ Stephen Porges beschreibt die Rolle des Vagusnervs bei der emotionalen Regulation und zwischenmenschlichen Kommunikation.
Eilert, D. W. (2021). Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt. Junfermann Verlag. → Dirk W. Eilert erläutert, wie integratives Emotionscoaching auf Basis neuester neurowissenschaftlicher Erkenntnisse effektiv angewendet werden kann. Link
Böhlke, K. (2023). Vom Mindset zum Bodyset: Mit Körper-Biologik Emotionen selbstwirksam aktivieren und führen. BusinessVillage Verlag. → Kristina Böhlke zeigt, wie man durch den Körper als Ressource emotionale Agilität und Intuition bewusst nutzen kann. Hier finden Sie das Buch